Depressive Erkrankungen
Krankheitsbild
Symptomatik depressiver Erkrankungen
Kaum ein Störungsbild kann sich mit so vielen „Gesichtern“ zeigen, wie eine Depression. Im Grunde gibt es „die“ Depression überhaupt nicht. Eher ist es so, dass es eine Vielzahl von Symptomen gibt, die in unterschiedlichster Kombination im Rahmen depressiver Störungen auftreten können. Auch Hintergründe und Verlauf depressiver Erkrankungen können sehr verschieden sein.
In der durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen International Classification of Deseases (ICD), in welcher sämtliche Erkrankungen entsprechend der dann vorliegenden Symptomen aufgelistet sind, werden für die Depression folgende Kriterien vorgegeben:
Über einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen müssen mindestens 2 der folgenden Symptome nahezu durchgehend vorgelegen haben:
- Depressive (niedergeschlagene) Stimmung
- Verlust von Interesse und Freude (Anhedonie)
- Verminderung des Antriebs bzw. der Energie mit erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung
Im Gegensatz zu „normaler“ Traurigkeit, die jeder Mensch ab und zu erlebt, sind es das Ausmaß, die Dauer und die Stabilität, die für die Diagnose entscheidend sind.
Nichts kann diesen Zustand wesentlich verändern, kein Besuch geliebter Menschen, kein Geschenk, keine erfolgreiche Prüfung – nichts. Manchmal fühlt man sich innerlich „wie tot“. Alles scheint grau und jedwede Aktivität ist eher mit Kraftanstrengung verbunden als mit Spaß.
Aufgrund sogenannter „kognitiver Verzerrungen“, d.h. aufgrund eines sehr einseitig negativen Denkens, beurteilen sich depressive Patienten sich selbst und ihr Tun ungleich strenger und negativer als sie es bei jeder anderen Person täten. Dadurch entstehen häufig starke Schuldgefühle und das Gefühl der Wertlosigkeit und nicht gut genug zu sein; Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl gehen verloren. Der Blick auf die Zukunft scheint trostlos mit dem Eindruck, dies auch nicht ändern zu können.
Oftmals entstehen vor diesem Hintergrund von Sinnlosigkeits- oder Überforderungserleben auch Lebensüberdrußgedanken bis hin zu konkreten Suizidgedanken oder gar Handlungen. Spätestens wenn derartige Gedanken und Impulse auftreten, ist es Zeit, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Aber auch zahlreiche weitere Symptome können eine Depression kennzeichnen.
Symptome auf der Gefühlsebene:
- Durchgehend niedergeschlagene und traurige Stimmungslage
- zum Teil allerdings auch gereizte Stimmung und Unzufriedenheit bis hin zu Feindseligkeit
- erhöhte Empfindsamkeit und Labilität mit erhöhter Neigung (auch spontan) zu Weinen oder zu „Wutanfällen“
- Schuldgefühle oder das Gefühl der Wertlosigkeit
- Verstärkte Ängstlichkeit – entweder auf konkrete Situationen und Auslöser bezogen, oder auch ganz allgemein, ohne spezifische Gründe benennen zu können
- Vermindertes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl
Symptome auf der gedanklichen Ebene:
- Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, es fällt schwer, mit den Gedanken bei einer Aufgabe zu bleiben
- Gedächtnisschwierigkeiten, so müssen z.B. Zettel geschrieben oder Erinnerungsstützen geschaffen werden, manch einer fürchtet, „dement“ zu werden
- Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
- Gedanken an oder Sehnsucht nach dem Tod
- Häufiges als unstoppbar erlebtes Grübeln und Sich-Sorgen
- Entscheidungsschwäche bis hin zur Entscheidungsunfähigkeit
Symptome auf der körperlichen Ebene:
- Schlafstörungen, diese können als Einschlafstörungen auftreten, aber auch das Durchschlafen ist teilweise schwierig. Viele Patienten klagen auch über morgendliches Früherwachen. Insgesamt wird der Schlaf zumeist als wenig erfrischend erlebt
- Verminderter Appetit, teilweise wird das Essen „vergessen“, oder man muss sich dazu zwingen, oftmals begleitet mit Gewichtsverlust
- Gesteigerter Appetit und Heißhungerattacken können auftreten
- Innere Unruhe und Getriebensein bis hin zu Panikattacken
- Gleichzeitig oft Kraftlosigkeit Müdigkeit, das Gefühl der Abgeschlagenheit und körperlichen Erschöpfung
- Verlust des sexuellen Interesses oder sexuelle Schwierigkeiten allgemein
- Allgemeine körperliche Beschwerden wie Schmerzen, Verspannungen, Magen-Darm-Beschwerden
- Erhöhte Infektanfälligkeit
Symptome auf der Verhaltensebene:
- (Soziales) Rückzugsverhalten zum Teil aus Freudverlust, zum Teil aus Antriebsmangel, zum Teil aufgrund des Gefühls der „Reizüberflutung“ in sozialen Situationen bzw. in der Öffentlichkeit
- Selbstverletzungen, Suizidvorbereitungen oder gar Suizidhandlungen
Entstehung depressiver Erkrankungen
Ebenso wie es nicht „die“ Depression gibt, gibt es auch nicht „die“ Ursache einer Depression. Tausende Forscher auf der ganzen Welt versuchen die Frage, warum manche Menschen an einer Depression erkranken und wie man sie optimal behandeln kann, klarer zu beantworten, ohne dass die Mechanismen gegenwärtig wirklich eindeutig geklärt sind.
Man geht aktuell von einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus. So sind einerseits biologisch-konstitutionelle Faktoren (genetisch, hormonell etc.) als auch frühe Lebenserfahrungen und Persönlichkeitszüge relevant. In Phasen erhöhter Belastung, z.B. durch eine weitere körperliche Erkrankung oder problematische Lebensereignisse (Verluste, Konflikte, lebenszyklische Krisen) kann eine Dynamik in Gang kommen, an deren Endstrecke dann das Symptombild der Depression steht.
Sogenannte „Teufelskreise“ aus negativer Befindlichkeit, erhöhter Selbstaufmerksamkeit, Rückzugsverhalten und Vermeidung, negativer Bewertung und ungünstige Bewältigungsmuster etc. führen zu einer zunehmenden Verstärkung der Symptomatik, aus der sich der man sich letztlich allein nicht mehr „befreien“ kann.
Rehabilitation
Rehabilitative Strategie
So vielgestaltig wie Form und Ursachen der Depression, so individuell gestaltet sich auch die Behandlung und Rehabilitation.
Dabei liegt das Modell der funktionalen Gesundheit und deren Beeinträchtigung zugrunde. Eine Person gilt nicht nur als gesund, wenn körperliche Funktionen; einschließlich der geistigen Funktionen wie die Gedanken- und Gefühlswelt den allgemein anerkannten Normen entsprechen, sondern wenn sie ihr Dasein in allen Lebensbereichen, die ihr wichtig sind, in der Weise entfalten kann, wie es von Menschen ohne Beeinträchtigungen erwartet wird.
Gesundheit ist daher immer von den Gegebenheiten des Lebenshintergrundes einer Person abhängig. Kontextfaktoren wie z.B. die familiäre oder berufliche Situation können einen günstigen Einfluss ausüben, aber auch nachteilig wirken.
Ziel ist also immer, dass man das Gesundheitsproblem des Patienten auch auf diesen Ebenen:
- Körperliche und/oder psychische Erkrankung
- Beeinträchtigung von Aktivitäten und Teilhabe
- Relevante Kontextfaktoren
erfasst und beschreibt.
Dieses Modell entstammt der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und begreift Gesundheit und Krankheit als Ergebnis des Ineinandergreifens physiologischer, psychischer und sozialer Vorgänge.
So wird sichergestellt, dass neben Erkenntnissen aus der medizinischen Versorgung auch die persönlichen oder gesellschaftlichen Bedingungen, in denen die Patienten leben, Teil der rehabilitativen Behandlung werden.
Behandlungsangebot
Vor dem Hintergrund eines bio-psycho-sozialen Krankheits- und Störungskonzepts werden wirksame und erfolgversprechende Ansätze biologischer, psychologischer und soziotherapeutischer Art kombiniert eingesetzt. Das Behandlungsangebot ist daher breit gefächert und fußt auf den Erkenntnissen der Therapieforschung sowie den daraus resultierenden Leitlinien und Standards der Kostenträger.
Zentrum der Behandlung ist die Psychotherapie. Diese folgt den Grundannahmen der modernen kognitiven Verhaltenstherapie. Störungen werden hierbei als Resultat einer individuellen Lerngeschichte vor dem Hintergrund biologischer Vulnerabilität und sozialer Kontextfaktoren definiert.
Es wird davon ausgegangen, dass korrigierende Lernerfahrungen sowie die Korrektur irrationaler kognitiver Schemata die Symptomatik sowie deren Folgen positiv beeinflussen. Hierfür werden unterschiedliche Methoden und Techniken eingesetzt, sofern ihre Wirksamkeit empirisch nachgewiesen ist. Mit diesem modernen Ansatz sind nach den bekannten wissenschaftlichen Untersuchungen die bei weitem größten therapeutischen Erfolge zu erwarten.
Darüber hinaus orientieren wir uns im Hinblick auf den ganzheitlichen Ansatz der Rehabilitation und dem Zusammenwirken der Methoden der unterschiedlichen Berufsgruppen unseres multiprofessionellen Teams an den evidenzbasierten Reha-Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung sowie den KTL-Vorgaben und setzen diese um.
Folgende Bausteine kommen im Rahmen der Rehabilitation zum Einsatz:
- Psychotherapie und ärztlich-medizinische Behandlungselemente
- Ergotherapie
- Kunsttherapie
- Sport- und Physiotherapie
- Körper- und Entspannungstherapie
- Diät- und Ernährungstherapie
- Sozialtherapie
- Pflegerische Angebote
- Selbsthilfetraining
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