Erkrankungen der Wirbelsäule und Rückenschmerzen
Krankheitsbild
Jeder zehnte Patient beim Hausarzt und jeder zweite Patient in einer orthopädischen Sprechstunde beklagt sich über Rückenschmerzen. Diese lokalisieren sich in über 60 % aller Fälle im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und in fast 40 % der Fälle im Bereich der Halswirbelsäule (HWS). Bereits Hippokrates (406-377 v. Chr.) beschrieb Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die Beine (Lumboischialgien). Die Rückenschmerzen selbst sind dabei nur die Symptome, die Ursachen dafür können vielfältig sein.
Oftmals sind es muskuläre Dysbalancen, entstanden aus einseitigen Belastungen, wenig Bewegung und langem Sitzen, die derartige Beschwerden hervorrufen. Man unterscheidet dabei zwischen akuten und chronischen Schmerzen.
Der akute Schmerz tritt plötzlich auf (Hexenschuss) und ist in weniger als 12 Wochen verschwunden. Bei einem Großteil der Patienten, bei denen Bewegungsmangel und Verspannungen ursächlich für die Beschwerden sind, reichen einfache therapeutische Maßnahmen völlig aus. Allerdings kann Schmerz auch ein Zeichen für schwerwiegendere Krankheitsbilder sein, so dass die ärztliche Aufgabe darin besteht, die genaue Ursache der Beschwerden herauszufinden.
So kommt es im Laufe des Lebens durch Verschleißerscheinungen auch zu Abnutzungen der Bandscheiben sowie der kleinen Wirbelgelenke. Die Bandscheibe besteht aus einem knorpligem Faserring und einem festem Gallertkern. Im Laufe des Lebens verlieren die Bandscheiben an Elastizität und Flexibilität, so dass sie bei Belastung stärker zusammengedrückt werden und evtl. nicht mehr in ihre Ausgangsform zurückkehren. Damit verlieren die Bandscheiben aufgrund von Flüssigkeitsverlust an Höhe und ihre eigentliche Funktion als „Stoßdämpfer“ zwischen den Wirbelkörpern der Wirbelsäule wird vermindert. Der Faserring kann rissig werden, dann können sich Anteile des Gallertkerns in diese Risse verschieben. Die Bandscheibe verändert damit ihre Form (Bandschreibenprotrusion) und wölbt sich in Richtung des Wirbelkanals und damit des Rückenmarks vor. Wenn die äußere Abgrenzung durch den Faserring defekt ist, entsteht daraus ein Bandscheibenvorfall (Bandscheibenproplaps), dabei tritt der Gallertkern in den Wirbelkanal/Rückenmarkskanal aus. In Abhängigkeit von der Lokalisation können Nerven abgedrückt und in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Die Patienten klagen über Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich (LWS) mit Ausstrahlung bis in die Beine oder gar bis zum Fuß. Ebenso können Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) im Schulter-Nackenbereich auftreten, mit Ausstrahlung in einen Arm bis zur Hand. Bei schwerbetroffenen Patienten bestehen ggf. auch Lähmungserscheinungen. Aufgrund des Verlustes von Elastizität und Flexibilität der Bandscheibe kommt es in den umliegenden kleinen Wirbelgelenken häufig zu degenerativen Veränderungen im Sinne von Abnutzungserscheinungen, einer Arthrose der kleinen Wirbelgelenke. Die Bandscheiben verlieren ihre Funktion als Stoßdämpfer und damit müssen die angrenzenden kleinen Wirbelgelenke sowie die Wirbelkörper den Druck abfangen und werden überbeansprucht. Durch den erhöhten Druck kommt es zu knöchernen Anbauten, welche dem Patienten oftmals Beschwerden verursachen, man spricht von einer Osteochondrose. Die Beschwerden können beim Gehen, Stehen, Liegen auftreten und reflektorisch kommt es zu Muskelverspannungen.
Eine weitere Ursache für Rückenschmerzen kann die Verengung des Wirbelkanals, die sogenannte Spinalkanalstenose darstellen. Durch Verschleißerscheinungen (degenerative Veränderungen), welche im Laufe des Lebens mit unterschiedlicher Intensität bei allen Menschen auftreten, kommt es zu einer Reduzierung des Wassergehaltes des Bandscheibengewebes. Dieses wird (siehe oben) flacher, rissiger und instabiler. Damit kommt es zur Bildung von reaktiven Knochenanbauten im Bereich der kleinen Wirbelgelenke und der Wirbelkörper und es kann zu einer Einengung des Rückenmarkskanals (Spinalkanalstenose) kommen. Diese degenerative Spinalkanalstenose ist typisch für Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Sie lokalisiert sich im Wesentlichen an der LWS (Lendenwirbelsäule) und an der HWS (Haswirbelsäule). In seltenen Fällen gibt es die sogenannte angeborene Spinalkanalstenose, welche den Wirbelkanal von Geburt an einengt und bereits im frühen Lebensalter Beschwerden verursachen kann. Typisch für dieses Krankheitsbild ist die Reduzierung der Gehstrecke. Die betroffenen Patienten berichten, dass sie beim Gehen häufig eine Pause einlegen müssen, da sie Schmerzen in den Beinen haben bzw. diese taub werden. Beim Vornüberbeugen reduziert sich diese Beschwerdesymptomatik, da der Spinalkanal sich wieder etwas erweitert. Dies ist ein wichtiger Hinweis für das Vorliegen einer Spinalkanalstenose. Lokalisiert sich diese Spinalkanalstenose an der HWS (Halswirbelsäule), so klagen die Patienten über Einschränkungen bei alltäglichen Arbeiten mit den Händen, im fortgeschrittenem Stadium kann es dazu kommen, dass ihnen Gegenstände aus der Hand fallen. Das Gangbild wird ebenfalls unsicher und die Patientin berichten über schwere Beine. Bei all den aufgeführten Symptomen ist eine umfassende Untersuchung notwendig, wobei nach einem Röntgenbild meist eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder auch eine Computertomografie (CT) angestrebt wird. Die Magnetresonanztomografie ist für Patienten, welche größere Metallimplantate tragen bzw. über einen Herzschrittmacher verfügen eher weniger geeignet, hier stellt die Computertomografie eine gute Alternative dar.
Auch an der Wirbelsäule kann man einen Knochenbruch (Fraktur) erleiden, die Ursache dafür kann ein Sturz oder ein Unfall sein. Bei einer schweren Osteoporose (Verminderung der Knochendichte mit Knochenerweichung) kann eine Fraktur der Wirbelkörper sogar spontan erfolgen. Die meisten schweren unfallbedingten Verletzungen der Wirbelsäule betreffen die Lenden- oder Brustwirbelsäule. In Abhängigkeit von der Schwere der Verletzung kann in Einzelfällen konservativ, das heißt ohne operativen Eingriff, behandelt werden. Bei schweren Verletzungen von Bandscheiben und knöchernen Wirbelkörpern mit einer eher instabilen Situation kann es außerdem zu Nerven- oder Rückenmarksschädigungen kommen. Hier wird eine schnellstmögliche operative Versorgung notwendig. Nach umfangreicher Diagnostik wird das für den Patienten optimale OP-Verfahren ausgewählt, wobei die moderne Wirbelsäulenchirurgie hier mehrere Möglichkeiten hat. Die Stabilisierung erfolgt im Bereich der Brust-und Lendenwirbelsäule in aller Regel von hinten durch Schrauben und Verbindungselemente, welche ein Aufrichten des Wirbelbruchs und nachfolgende Stabilisierung (Spondylodese, Fixateur interne) gewährleisten. Bei Brüchen im Bereich der Halswirbelsäule ist zu berücksichtigen, dass sich in dieser Region viele Nervenbahnen befinden, deren Verletzung zu gravierenden Ausfällen führen kann. Von der Art der Schädigung und der Stabilität wird die weitere Behandlung abhängig gemacht. Stabile Knochenbrüche (Frakturen) und Verletzungen der HWS werden oftmals konservativ mit einer Halskrause oder Orthese behandelt, dagegen ist bei schwereren Verletzungen eine Operation unumgänglich. Auch hier werden die verletzten Segmente mit Schrauben und Platten fixiert, dabei können operative Zugänge von vorn und von hinten realisiert werden.
In der Nachbehandlung von Wirbelsäulenoperationen spielt die Rehabilitation eine große Rolle. Dabei muss zunächst eine ungestörte Wundheilung gewährleistet werden und die Aktivitäten dürfen die Wund- und Knochenheilung nicht stören.
Rehabilitation
Ziel der Rehabilitation ist die Wiederaufnahme der Aktivitäten des täglichen Lebens, dabei wird ein stabilisierendes Rehabilitationsprogramm zusammen mit der Anleitung zu einem wirbelsäulengerechten Verhalten im Vordergrund stehen. Der Operateur spricht dabei die Empfehlungen zur physiotherapeutischen Nachbehandlung und das notwendige Zeitfenster aus.
Die Anzahl der osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen wird aufgrund des steigenden Lebensalters der Bevölkerung immer häufiger, wobei Frauen öfter betroffen sind als Männer. Viele der Frakturen bleiben unerkannt, erst bei starken Schmerzen oder auch Deformierung der Wirbelsäule wenden sich die Betroffenen an den Arzt. Bei den osteoporotischen Frakturen handelt es sich oftmals um sogenannte Sinterungsfrakturen, so dass der Wirbelkörper an Höhe verliert („Witwenbuckel“). Die Symptomatik ist sehr weitreichend, einige Patienten bleiben völlig beschwerdefrei, andere klagen über massivste Schmerzen und eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Wenn ein Fortschreiten des Zusammensinkens der Wirbelkörper droht, wird auf das Verfahren der Vertebroplastie oder Kyphoplastie zurückgegriffen. Bei der Vertebroplastie wird der Wirbelkörper mittels einer Knochenzementinjektion stabilisiert. Bei der Kyphoplastie wird im Vorfeld ein Ballon in den Wirbelkörper eingebracht und mit einer Flüssigkeit aufgepumpt, so dass sich der Wirbelkörper wieder aufrichten kann. Nach Entfernen des Ballons wird der Wirbelkörper ebenfalls von innen mit Knochenzement aufgefüllt. Der Vorteil dieser Methoden ist, dass dieser Knochenzement rasch über eine Kanüle in den Wirbelkörper injiziert werden kann und gleichzeitig auch an mehreren Wirbeln angewandt werden kann. Diese Vorgehensweise gehört zu den schonenden minimal-invasiven Operationsmethoden der Wirbelsäulenchirurgie. In Einzelfällen ist diese Versorgung nicht ausreichend, so dass man auf eine Stabilisierung der Wirbelkörper mit Schrauben und Stäben (Fixateur interne, Spondylodese) zurückgreifen muss, welche in den osteoporotisch veränderten Knochen mit Knochenzement verankert werden.
Die Rehabilitation der o.g. Krankheitsbilder ist individuell, basiert auf unseren multiprofessionellen Behandlungskonzepten und kann stationär und ambulant erfolgen. Ziel ist die Stärkung der Rücken- bzw. Rumpfmuskulatur, Beseitigung muskulärer Dysbalancen und Vermittlung eines rückengerechten Verhaltens.
Die Behandlung berücksichtigt den bio-psycho-sozialen Aspekt und wird individuell an Erfordernisse und Möglichkeiten des Patienten angepasst, z.B.:
- Physiotherapie (einzeln und in der Gruppe), ggf. Bewegungsbad
- Medizinische Trainingstherapie (Gerätetraining)
- Ergotherapie
- Psychologische Interventionen, z.B. Entspannungsverfahren
- Gesundheitsprävention und Anleitung zu Aktivitäten des täglichen Lebens (AdL)
- Rückenschule
- Terraintraining und Konditionierung
Spezialisierte Kliniken
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